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Rede der Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung Birgit Honé, anlässlich der Sitzung des Bundesrates am 15. März 2019 zu Tagesordnungspunkt 34:


„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 hinsichtlich bestimmter Vorschriften für den Europäischen Meeres- und Fischereifonds aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union“

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

vor genau einem Monat haben wir hier über den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Kö­nigreichs aus der Europäischen Union gesprochen und ich habe von den Erkenntnissen mei­ner Delegationsreise nach London berichtet, die kurz zuvor stattgefunden hatte.

Auch am Ende dieser Woche bleiben immer noch viele Fragezeichen, was den Brexit anbe­langt. Gestern Abend sprach sich das britische Parlament gegen ein zweites Referendum und für eine Verschiebung des Austrittsdatums um mindestens drei Monate aus. Nun ist es an den Staats- und Regierungschefs der EU, dieser Fristverlängerung zuzustimmen. Wie es in den kommenden Wochen weitergeht, bleibt abzuwarten. Eine Sache allerdings hat sich nicht ge­ändert: Wir müssen in unserer Vorbereitung weiterhin die Möglichkeit eines ungeregelten und harten Brexits kalkulieren!

Das Ziel meiner Reise vor rund einem Monat war es, sich vor Ort über den Fortgang des Brexit-Prozesses und Wege der weiteren Zusammenarbeit zwischen der EU, der Bundesrepublik und meiner Heimat Niedersachsen einerseits und dem Vereinigten Königreich andererseits zu informieren. Ein wichtiger Bestandteil der Reise war dabei, nähere Erkenntnisse über die zu­künftigen Fischereibeziehungen mit dem Vereinigten Königreich zu erlangen.

Denn die europäische Fischereipolitik wird durch den Brexit in ganz außerordentlicher Weise betroffen sein.

Was bedeutet die jetzige Situation konkret für die Fischfangindustrie in der Bundesrepublik?

Ich sage bewusst „Bundesrepublik“, denn Fischfang, Fischverarbeitung und die Versorgung der heimischen Märkte mit Fischprodukten sind nicht nur norddeutsche Themen.

Im Falle eines geregelten Brexits, würde die Fischerei auf der Basis des Austrittsabkommens zunächst unverändert weiterbetrieben werden können. Die Gesamtfangmengen und Quoten würden bis zum Ende der Übergangszeit wie bisher festgelegt. Der Übergangszeitraum könnte so genutzt werden, um die zukünftigen Fischereibeziehungen zwischen der EU und dem Ver­einigten Königreich zu vereinbaren.

Sollte das Vereinigte Königreich jedoch die Europäische Union ohne ein Austrittsabkommen verlassen, sähe die Sache ganz anders aus. Zwar hatte mir im Februar der damalige britische Landwirtschafts- und Fischereiminister George Eustice versichert, im laufenden Jahr werde es keine Änderungen geben, doch zwei Wochen später war er zurückgetreten.

Es bleibt also das Risiko, dass mit dem Datum des Brexits die gegenseitigen Zugangsrechte zu den Fanggebieten sofort enden. Deutsche Fischereifahrzeuge hätten zu britischen Gewäs­sern so lange keinen Zugang, bis die EU ein entsprechendes Fischereiabkommen mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossen hätte. Das beträfe im Übrigen nicht nur die britische ausschließliche Wirtschaftszone. Denn vermutlich würden auch die Fangmöglichkeiten in nor­wegischen Gewässern mangels Tauschmöglichkeiten ebenfalls entfallen! Dies wäre ein schwerer Schlag für die deutsche Hochseefischerei und könnte für einzelne Betriebe in Nord­deutschland existenzbedrohend sein. Das dürfen wir unter keinen Umständen hinnehmen.

Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die EU-Kommission eine Anpassung der laufenden Verordnung über den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) vorgelegt hat. Hier­bei handelt es sich um konkrete Notfallmaßnahmen, die im Falle eines ungeregelten Brexits greifen könnten. Konkret geht es um eine finanzielle Unterstützung für betroffene Unterneh­men, sollte es zu einer Brexit-bedingten vorübergehenden Stilllegung der Fangschiffe kom­men.

Dies ist ein positives Signal. Gleichwohl ist das kein erstrebenswerter Zustand – um das klar zu sagen. Die EU-Kommission sollte alle Anstrengungen unternehmen, ein solches Szenario zu verhindern!

Ich möchte meinen Appell an die EU-Kommission durch Szenarien unterstreichen, die uns möglicherweise ins Haus stehen, wenn es keine schnelle Übereinkunft mit den Briten gibt.

Wenn die britischen Gewässer nicht zur Verfügung stehen, werden sich die EU-Fangschiffe logischerweise in den Fanggebieten konzentrieren, die noch zur Verfügung stehen, dies mög­licherweise mit schweren Folgen für die Bestände.

Andererseits ist fraglich, ob die festgelegten Fangquoten für einige Arten überhaupt vollständig genutzt werden können, weil EU-Fischer gar nicht mehr in ihre Nähe gelangen können. Das alles wird die Konkurrenz unter den EU-Fischern und deren Sorge um ihre Existenz massiv erhöhen – zu was dies führen kann, haben die Handgreiflichkeiten zwischen britischen und französischen Fischern im vergangenen August im Ärmelkanal gezeigt.

Die niedersächsische Landesregierung setzt sich für die deutsche Fischereiwirtschaft ein. Wir setzen auf eine sichere, nachhaltige und auskömmliche Fischerei mit Zukunft. Um dem Nach­druck zu verleihen und ein wichtiges Zeichen für die Belange der deutschen Fischereiwirt­schaft insgesamt zu setzen, bitte ich um Unterstützung unseres Anliegens.

Gleichzeitig werden wir die Aushandlung eines neuen Fischereiabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auch weiterhin eng begleiten. Ein solches Abkommen wird es in jedem Fall geben müssen unabhängig davon, ob es einen geregelten oder ungeregelten Brexit geben wird.

Abschließend ist es mir wichtig zu betonen, dass es grundsätzlich darum gehen muss, dass es künftig eine Verknüpfung zwischen dem Zugang zu den Fischgründen und dem Zugang zum EU-Binnenmarkt für Fischprodukte geben muss. Dies wäre eine gemeinsame, eine euro­päische Lösung. Denn letztlich muss auch das Vereinigte Königreich ein Interesse daran ha­ben, die Fänge seiner Fischer weiterhin in der EU vermarkten zu können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.03.2019

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