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817. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2005

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende vier Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:

TOP 1 Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (... Arbeits-zeitänderungsgesetz - ...ArbZÄG) - Antrag des Freistaates Bayern -, BR-Drs. 778/05

TOP 4 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, BR-Drs. 742/05

TOP 14 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, BR-Drs. 723/05

TOP 21a) Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsstoffen nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung - DüV), BR-Drs. 703/05

TOP 1 Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (... Arbeitszeitänderungsgesetz - ...ArbZÄG) - Antrag des Freistaates Bayern -, BR-Drs. 778/05

Wesentlicher Inhalt:

Bereitschaftsdienst zum Beispiel eines Arztes im Krankenhaus ist Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof im September 2003 ausdrücklich auch für Deutschland entschieden. Ein Arzt ist auch während seines Bereitschaftsdienstes persönlich anwesend. Er leistet im Krankenhaus Arbeitszeit, auch wenn es ihm gestattet ist, sich auszuruhen, wenn er nicht in Anspruch genommen wird. Nach altem Recht galt ein Bereitschaftsdienst nur dann als Arbeitszeit, wenn der Arzt in einem Krankenhaus tatsächlich im Einsatz war. Sogenannte "inaktive" Warte- und Ruhezeiten waren keine Arbeitszeit.

Das Arbeitszeitgesetz ist mit Wirkung vom 1.1.2004 an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angepasst worden. Allerdings gelten bisherige Tarifverträge, die noch verlängerte Arbeitszeiten im Zusammenhang mit Bereitschaftsdienst ermöglichen, bis zum 31.12.2005 fort.

Der nicht zustimmungsbedürftige Gesetzentwurf will diese Übergangsregelung um zwei Jahre verlängern. Der Grund hierfür ist, dass seit über einem Jahr eine Novellierung der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie diskutiert wird. Auf EU-Ebene gibt es jedoch zurzeit noch keine Einigung. In dem Entwurf der Kommission gibt es neben der Arbeits- und Ruhezeit einen Bereitschaftsdienst, der nach aktiver und inaktiver Zeit aufgeschlüsselt wird. Nur der aktive Bereitschaftsdienst wäre Arbeitszeit. Das Europaparlament beharrt dagegen darauf, Bereitschaftsdienst in vollem Umfang - gleich ob aktiv oder inaktiv - als Arbeitszeit zu werten. Gerade diese Bewertung wird sich aber auf die nationalen Arbeitsgesetze auswirken. Sie wird auch die Tarifverhandlungen der Länder mit den Gewerkschaften beeinflussen.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Finanzausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Ausschuss für Kulturfragen und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat ist mit den Stimmen Niedersachsens einem Plenarantrag Bayerns gefolgt, der eine Verlängerung der Übergangsfrist um ein Jahr fordert. Bayern hat mit diesem Antrag das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen aufgegriffen. CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die zum 1.1.2006 auslaufende Übergangsregelung um ein Jahr zu verlängern.


TOP 4 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, BR-Drs. 742/05

Wesentlicher Inhalt:

Mit dem zustimmungsbedürftigen Gesetzentwurf wollte die frühere Bundesregierung den Bundesanteil an den kommunalen Kosten für Unterkunft und Heizung der Hartz IV-Empfänger in den Jahren 2005 und 2006 auf Null setzen.

Die Länder lehnen dies geschlossen ab. Sie folgen damit einer Initiative Niedersachsens.

Die Länder halten dem Bund vor, dass er sich mit der beabsichtigten Gesetzesänderung einseitig von der Geschäftsgrundlage der Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verabschieden wolle. Diese Reform sollte für die Länder Belastungsneutralität und für die Kommunen eine jährliche Entlastung von 2,5 Milliarden Euro bundesweit sicherstellen.

Das bisher im Gesetz vorgeschriebene Revisionsverfahren bewirkt aber das Gegenteil. Ursächlich dafür sind Schätzgrundlagen, die zu der Fiktion einer Entlastung von Ländern und Kommunen führen. Der Bund errechnet eine Entlastung von Ländern und Kommunen, die dazu führen würde, dass Länder und Kommunen einen Betrag in Höhe von 9,5 % der Ausgaben für Unterkunft und Heizung an den Bund erstatten müssten. Weil der Bund für eine solche Erstattungsforderung keine rechtliche Handhabe hat, beschränkt er sich darauf, den Bundesanteil auf Null zu setzen.

Nach den Ergebnissen der kommunalen Datenerhebung, die auf den tatsächlichen Ausgaben der kommunalen Haushalte beruht, müsste der Bundesanteil sogar bei 34,4 % liegen, um die Kommunen wie versprochen zu entlasten. Diese Zahlen liegen auch dem zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vor. Sie sind in einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesministeriums erarbeitet worden.

Die Länder erwarten, dass die neue Bundesregierung zügig Verhandlungen mit den Ländern und Kommunen aufnimmt. Sie wollen erreichen, dass die finanziellen Be- und Entlastungen von Bund, Ländern und Kommunen realitätsnah und in einem fairen und transparenten Verfahren ermittelt werden. Sie fordern den Bund auf, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung den zur Zeit festgelegten Anteil an den kommunalen Kosten für Unterkunft und Heizung von 29,1 % zu leisten.

Behandlung in den Ausschüssen:

Die von Niedersachsen formulierte Stellungnahme, die den Gesetzentwurf ablehnt, ist in allen befassten Ausschüssen einstimmig angenommen worden. Im federführenden Ausschuss Arbeit und Sozialpolitik sind alle anderen Länder beigetreten.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens kritisch Stellung genommen.


TOP 14 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG; BR-Drs. 723/05

Wesentlicher Inhalt:

Zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität sollen die Pflichten der Anbieter und Betreiber von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. –netzen zur Speicherung von Telekommunikationsdaten EU-weit harmonisiert werden. Der Richtlinienvorschlag sieht vor, bestimmte Daten aller IT-basierten Verbindungen (E-Mail, SMS etc.) für sechs Monate und die aller Sprachverbindungen (Festnetz und Mobilfunk) für zwölf Monate zu speichern. Dazu gehören z.B. der genaue Standort des Anrufers, die angewählte Rufnummer sowie Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs. Inhalte werden nicht gespeichert. Die durch die Speicherung entstehenden Zusatzkosten sollen den Anbietern und Betreibern erstattet werden. Ferner sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass der EU-Kommission jährlich der Umfang der Weitergabe von Daten, der Zeitablauf zwischen Speicherung und Anforderung der Daten und die Zahl ergebnisloser Anfragen der Behörden übermittelt werden.

Behandlung in den Ausschüssen:

Die beteiligten Ausschüsse empfahlen dem Bundesrat eine umfangreiche Stellungnahme. Zur Speicherfrist haben sie dabei unterschiedlich votiert. Der Innenausschuss hielt eine Speicherfrist von mindestens 12 Monaten für alle ermittlungsrelevanten Daten, auch der IT-basierten, für eine effektive Gefahrenabwehr und Strafverfolgung für unerlässlich. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, die Speicherung aller Daten auf maximal drei Monate zu beschränken, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Strafverfolgungsinteressen und den Grundrechten der Betroffenen zu schaffen.

Zur vorgesehenen Kostenerstattung und zur Einführung der Statistik mit ihrer Vielzahl von Einzelinformationen empfahlen die Ausschüsse dem Bundesrat überwiegend, diese Regelungen wegen ihres unkalkulierbaren Risikos für die öffentlichen Haushalte bzw. wegen des erheblichen Verwaltungsaufwandes abzulehnen.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat die von den Ausschüssen empfohlene Stellungnahme mit den Stimmen Niedersachsens überwiegend beschlossen. Nicht gefolgt ist der Bundesrat den Empfehlungen der Ausschüsse, die Speicherfristen des Richtlinienvorschlags zu verkürzen oder zu verlängern. Ebenso abgelehnt hat der Bundesrat den Plenarantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, der eine Speicherfrist von einheitlich sechs Monaten vorsah.


TOP 21a) Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsstoffen nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung - DüV), BR-Drs. 703/05

Wesentlicher Inhalt:

Der Verordnungsentwurf setzt die Nitratrichtlinie der EU um und berücksichtigt dabei aktuelle fachliche "Auslegungen" bzw. Forderungen der Kommission. Er enthält im Wesentlichen folgende Regelbereiche zur guten fachlichen Praxis beim Düngen:

  • Absenkung der Obergrenze für Stickstoff aus Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft
  • Ausbringung auf stark geneigten Flächen
  • Konkretisierung von Abständen zu Gewässern
  • Sperrfristen für die Ausbringung von Düngemitteln
  • Erstellung von betrieblichen Nährstoffvergleichen und -bilanzen
  • Maßnahmen bei Nährstoffüberschüssen
  • Erweiterung des Regelungsumfanges auf Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsstoffe

Behandlung in den Ausschüssen

Der Regierungsentwurf wurde in der 712. Sitzung des Agrarausschusses vertagt, u.a. weil die Bundesregierung die bisher geltenden Regelungen über EU-Vorgaben hinaus erweitern wollte. Baden-Württemberg kündigte in dieser Sitzung an, einen neuen Entwurf zu erarbeiten, der den Regierungsentwurf ersetzen soll. Der überarbeitete Entwurf wurde von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt als Antrag im Agrarausschuss eingebracht und fand als Neufassung der Verordnung mit Maßgaben die Zustimmung aller Länder.

Der Gesundheitsausschuss sah von einer Empfehlung ab.

Der Umweltausschuss stimmte der Neufassung der Verordnung mit Maßgaben zu. Das niedersächsische Umweltministerium hatte allerdings grundsätzliche Bedenken gegen die Neufassung der Verordnung und stimmte als einziges Land dagegen. Zugestimmt wurde jedoch der Mehrzahl der Änderungsanträge.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens der Verordnung mit Maßgaben zugestimmt.

Presseinfo
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