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865. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2009

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:


TOP 1
Sechstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
BR-Drs. 864/09

TOP 2
Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz)
BR-Drs. 865/09

TOP 4
Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung des Schutzes von Tieren beim Transport
- Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen -
BR-Drs. 786/09

TOP 43
Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (… StrÄndG)
- Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen -
BR-Drs. 867/09

Zu TOP 1
Sechstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
BR-Drs. 864/09

Wesentlicher Inhalt:

Der Bund beteiligt sich an den Kosten der Kommunen für Unterkunft und Heizung der SGB II-Bezieher. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kommunen um jährlich 2,5 Mrd. € entlastet werden.
Die Höhe der Bundesbeteiligung ergibt sich ab dem Jahr 2008 nach Maßgabe der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften. Wenn sich diese Zahl um mehr als 0,5 % verändert, muss die Bundesbeteiligung angepasst werden. Das passiert durch ein nicht zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz.
Das Sechste Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch will die Bundesbeteiligung für das Jahr 2010 festlegen. Die Bundesbeteiligung wird gegenüber dem Vorjahr reduziert – im Bundesdurchschnitt von 26 auf 23,6 %.
Im ersten Durchgang hatte der Bundesrat zu dem Vorhaben der Bundesregierung Stellung genommen. Er hatte darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Bundesbeteiligung nicht ausreichen wird, um die angestrebte Entlastung der Kommunen zu erreichen. Außerdem hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Anpassungsformel zu ändern. Die Bundesbeteiligung solle entsprechend der Entwicklung der tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung und nicht entsprechend der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften berechnet werden.
Außerdem sollte bei der Berechnung der Höhe der Bundesbeteiligung auf die Quoten im Jahr 2007 abgestellt werden. Das hieße: Sonderquoten für Baden- Württemberg (35,2 %) und Rheinland- Pfalz (41,2 %), für die übrigen Länder 31,2 %.
Die Bundesregierung ist diesem Anliegen nicht gefolgt. Der Bundestag hat das Gesetz am 4. Dezember unverändert verabschiedet.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende und allein befasste Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfahl mehrheitlich und mit der Stimme Niedersachsens, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes anzurufen.
Mit dem vorgesehenen Rückgang der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung auf bundesdurchschnittlich 23,6 % im Jahr 2010 werde die gesetzlich vorgesehene Entlastung der Kommunen um 2,5 Mrd. € bei Weitem nicht erreicht. Gefordert werde daher, die Anpassungsformel an den tatsächlichen Unterkunftskosten auszurichten. Die Bundesbeteiligung solle sich künftig nicht mehr an der Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften orientieren.
Berechnungen des Deutschen Landkreistages zufolge müsse bei Zugrundelegen der tatsächlichen Kosten die Bundesbeteiligung 35,9 % betragen. Mit der jetzt angestrebten Regelung werde jedes Land benachteiligt. Die Kritik an der jetzigen Anpassungsformel sei auch bei der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag von Sachverständigen geäußert worden.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Zu TOP 2
Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz)
BR-Drs. 865/09

Wesentlicher Inhalt:

Das Gesetz sieht eine Reihe von Steuererleichterungen vor, mit denen Impulse für ein stabiles und dynamisches Wirtschaftswachstum zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise gesetzt werden sollen. Es ist Bestandteil des im Koalitionsvertrag angekündigten und bereits zum 1. Januar 2010 wirksam werdenden steuerlichen Sofortprogramms. Das Gesetz führt zu jährlichen Steuermindereinnahmen von insgesamt rund 8,5 Mrd. Euro. Davon entfallen 4,6 Mrd. Euro auf den Bund, 2,3 Mrd. Euro auf die Länder und 1,6 Mrd. Euro auf die Kommunen. Hervorzuheben sind insbesondere folgende Punkte:

  • Anhebung des Kinderfreibetrages für jedes Kind von derzeit 6.024 Euro auf 7.008 Euro. Zugleich wird das Kindergeld für jedes Kind um 20 Euro erhöht. Diese Maßnahmen führen zu Steuermindereinnahmen von jährlich 4,6 Mrd. Euro.
  • Verbesserung der Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern bis zu 410 Euro durch sofortige Abschreibung der Anschaffungskosten oder Bildung eines Sammelpostens für alle Wirtschaftsgüter zwischen 150 Euro und 1.000 Euro.
  • Abmilderung bestehender Verlustabzugsbeschränkungen bei der Sanierung von Körperschaften und der Umstrukturierung von Konzernen.
  • Dauerhafte Anhebung der Freigrenze für den Abzug von Zinsaufwendungen (sog. Zinsschranke) auf 3 Mio. Euro. Zudem ist vorgesehen, dass der nicht ausgeschöpfte Teil des Abzugsrahmens von 30 % des EBITDA in künftige Wirtschaftsjahre vorgetragen werden kann.
  • Absenkung des Hinzurechnungsanteils der Miet- und Pachtaufwendungen bei der Gewerbesteuer von 65 % auf 50 %.
  • Steuerliche Erleichterungen bei Umstrukturierungen von Unternehmen im Bereich der Grunderwerbsteuer und bei der Unternehmensnachfolge in Erbschaft- und Schenkungssteuerfällen.
  • Senkung der Steuerbelastung in Erbfällen für Geschwister und Geschwisterkinder.
  • Erhöhung der Vergütung für die Stromeinspeisung der vor dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommenen modular aufgebauten Anlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz.
  • Verzicht auf die nach dem Energiesteuergesetz vorgesehene Senkung der steuerlichen Entlastung für reine Biokraftstoffe für die Jahre 2010 bis 2012.
  • Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes von derzeit 19 % auf 7 % für Leistungen, die unmittelbar der Beherbergung dienen. Hierdurch entstehen Mindereinnahmen von jährlich insgesamt 945 Mio. Euro.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende Finanzausschuss und der Ausschuss Familie und Senioren empfahlen dem Bundesrat, jeweils mit der Stimme Niedersachsens, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Dagegen empfahl der Wirtschaftsausschuss mit der Stimme von Niedersachsen, dem Gesetz zuzustimmen.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, dem Gesetz zuzustimmen.
Minister Bode ergriff im Plenum das Wort. Er wies darauf hin, dass das Gesetz trotz aller öffentlichen Diskussionen die Voraussetzungen für neue Arbeitsplätze schaffe und Familien mit Kindern stärker unterstütze. Für diese Ziele bestehe ein breiter gesellschaftlicher und politischer Konsens. Es sei alternativlos, die öffentlichen Haushalte durch die Maßnahmen des Gesetzes kurzfristig zu belasteten. Mittelfristig schaffe das Gesetz Wachstum, wodurch die Belastungen dann ausgeglichen werden könnten. Minister Bode betonte, dass das Gesetz eine Reihe von Korrekturen der Unternehmenssteuerreform 2007 enthalte, deren Überprüfung der Bundesrat in der Vergangenheit von der Bundesregierung forderte. Die jetzige Umsetzung dieser Forderungen sei damit auch ein Erfolg des Bundesrates und der Länder, die dies initiiert hätten, wozu auch Niedersachsen zähle.

Zu TOP 4
Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung des Schutzes von Tieren beim Transport
- Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen -
BR-Drs. 786/09

Wesentlicher Inhalt:

Mit dem von Rheinland-Pfalz, Beitritt Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern vorgelegten Entschließungsantrag sollte die Bundesregierung gebeten werden, sich auf EU-Ebene und im Rahmen von Verhandlungen mit Drittländern für Verbesserungen des Schutzes von Tieren beim Transport einzusetzen. Für die Verhandlungen bei der zu erwartenden Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 wurde eine Liste von Punkten eingebracht, die für den Tierschutz und den Vollzug der hierfür geltenden Rechtsvorschriften als besonders wichtig angesehen werden (z.B. zeitliche Begrenzung von Schlachttiertransporten auf höchstens acht Stunden ohne Ausnahmeregelung, Anforderungen an Ladedichten und an die Ausstattung von Transportmitteln, neue Bestimmungen für den Transport von Zirkustieren). Darüber hinaus sollte die Bundesregierung gebeten werden, sich im Rahmen von Veterinärabkommen und bei Verhandlungen zu Handelsabkommen mit Drittländern dafür einzusetzen, dass Transporte lebender Schlachttiere ausgeschlossen werden.

Behandlung in den Ausschüssen:

Weil die Entschließung eine Verschärfung von Tierschutzanforderungen befürchten ließ und weil Abwägungen zwischen tierschutzrechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen vermisst wurden, haben die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen eine Neufassung der Entschließung in den Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz eingebracht. Nach Ansicht der beiden Länder fehlte auch ein Hinweis auf die notwendige Überprüfung der hohen Anforderungen an den bürokratischen Aufwand bei Unternehmen und bei den Kontrollbehörden. Schließlich war auch darauf hinzuweisen, dass die bestehenden EU-Vorschriften in einigen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt werden, was zu Ungleichbehandlungen führt.
Die von Schleswig-Holstein und Niedersachsen eingebrachte Neuformulierung des Entschließungsantrages mit der Bestätigung der geltenden maximalen Transportdauer von acht Stunden und mit der Bestätigung von Ausnahmetatbeständen in besonderen Fällen, mit der Forderung, unnötige Befähigungsnachweise für Transporteure zu streichen und mit der bereits in der Grunddrucksache gefassten Forderung, Transportregelungen für Zirkustiere aufzunehmen, wurde im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz bestätigt und dem Bundesrat empfohlen.
Der EU-Ausschuss empfahl ohne Abwägung der wirtschaftlichen Interessen und ohne Berücksichtigung des hohen bürokratischen Aufwandes das Fassen der Entschließung in der ursprünglichen Fassung.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat beschloss, die Entschließung nach Maßgabe der Empfehlung des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz zu fassen.

Zu TOP 43
Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (… StrÄndG)
- Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen -
BR-Drs. 867/09

Wesentlicher Inhalt:

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Genitalverstümmelung einem eigenständigen Straftatbestand zu unterwerfen. Er soll eine dem Unrecht und der Schuld entsprechende Sanktionierung auf eindeutiger rechtlicher Grundlage ermöglichen. Die Mindeststrafe soll zwei Jahre betragen.
Als flankierende Regelungen soll die Verjährung einer Tat ruhen, bis das volljährige Opfer darüber entscheiden kann, ob es die Tat zur Anzeige bringen will.
Auch Auslandstaten sollen in die Strafbarkeit einbezogen werden, wenn das Opfer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Schließlich soll sich das Opfer auch als Nebenklägerin einem Strafprozess anschließen können.

Behandlung in den Ausschüssen:

Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefunden.

Behandlung im Plenum:

Das Plenum hat beschlossen, den Gesetzentwurf federführend in den Rechtsausschuss sowie in den Ausschuss für Frauen und Jugend und den Innenausschuss zur Beratung zu überwiesen.

Presseinfo

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2010

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