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892. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2012

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:


TOP 2
Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation
BR-Drs. 5/12

TOP 5a)
Zweites Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz - 2. FMStG)
BR-Drs. 45/12

TOP 8
Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung
BR-Drs. 10/12

TOP 12
Entschließung des Bundesrates - Faire und sichere Arbeitsbedingungen durch Implementierung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes
- Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen -
BR-Drs. 816/11

TOP 18
Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression
BR-Drs. 847/11

TOP 67
Grünbuch der Kommission über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen
BR-Drs. 779/11

TOP 90
Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts
BR-Drs. 71/12

TOP 91
Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen
BR-Drs. 72/12


Zu TOP 2
Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation
BR-Drs. 5/12

Wesentlicher Inhalt:
Das geltende Verbraucherinformationsgesetz (VIG) gibt allen Bürgern gegenüber den zuständigen Behörden das Recht, dort vorliegende Informationen über Herstellungsbedingungen, Beschaffenheit und Inhaltsstoffe wie z.B. Allergene oder Schadstoffe in Grenzwerte überschreitenden Mengen in Lebens- und Futtermittel abzufragen. Die Behörden ihrerseits bekommen das Recht, über bestimmte Sachverhalte aktiv zu informieren. Das Gesetz zur Änderung des VIG ist als Artikelgesetz konzipiert und befasst sich in Art. 1 mit der Änderung des VIG, im Art. 2 mit einer Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vor. Das Änderungsgesetz soll die Ergebnisse der Evaluation des VIG und die Ziele des Aktionsplans „Verbraucherschutz in der Futtermittelkette“ berücksichtigen. Insbesondere soll eine Vereinfachung und Beschleunigung des Informations-Verfahrens erreicht werden.
Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich auf Verbraucherprodukte nach dem Produktsicherheitsgesetz ausgeweitet. Zu den wesentlichen Neuerungen zählen:

  • die Aufnahme von Begriffsbestimmungen,
  • die Einschränkung von Ausschluss- und Beschränkungsgründen, die gegen eine Herausgabe der begehrten Information vorgebracht werden können,
  • Erleichterungen im Verfahren durch eine formlose Antragstellung sowie kostenfreie Anträge in festgelegten Betragsgrenzen,
  • die Konkretisierung von Ablehnungsgründen und
  • die Angleichung des Verfahrens an die Vorschriften des VwVfG.

Ergänzend dazu wird in das LFGB ein neuer § 40 Abs. 1a eingefügt, der die zuständigen Behörden zur Information der Öffentlichkeit verpflichtet, wenn der begründete Verdacht besteht, dass

  • zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte und Höchstmengen überschritten werden oder
  • gegen Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefährdung oder Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen verstoßen wird.

Betroffene Unternehmer müssen vor der Information der Öffentlichkeit angehört werden, sofern der mit der Maßnahme verfolgte Zweck dadurch nicht gefährdet wird. Sollten sich die Informationen nachträglich als falsch erweisen, besteht die Verpflichtung der Behörde zur Richtigstellung. Der Bundesrat hatte im ersten Durchgang eine Stellungnahme angenommen, deren Forderungen vom Bundestag aber nicht übernommen wurden. Stattdessen hat der Bundestag Änderungen in das Gesetz eingebracht - z.B. eine Präzisierung, was unter Tatsachen zu verstehen ist, die einen Verdacht begründen. Diese wurden von einigen Bundesländern im zweiten Durchgang abgelehnt, und es folgten Anträge auf Anrufung des Vermittlungsausschusses.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz entschied sich mit 9 : 5 : 2 Stimmen für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses dem Grunde nach. Niedersachsen stimmte dagegen. Die Anrufungsgründe, die im Ausschuss eine Mehrheit bekamen, bezogen sich auf die Frage der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, der Ausweitung des Anwendungsbereiches auf Kosmetika und Bedarfsgegenstände, sowie die Frage, ob Tatsachen, auf die sich ein Verdacht gründet, im Gesetz genauer definiert werden müssen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Auch Niedersachsen hat gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses votiert.

Zu TOP 5a)
Zweites Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz - 2. FMStG)
BR-Drs. 45/12

Wesentlicher Inhalt:
Angesichts der anhaltenden Finanzkrise, die durch eine hohe Staatsverschuldung in verschiedenen Staaten verstärkt wird, sollen mit dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz vorbeugend die Finanzstabilität und das Vertrauen zwischen den Finanzmarktakteuren gesichert werden. Damit der Bund vorbeugend die Finanzmarktstabilität auch im Falle einer systemischen Krise sichern kann, wird mit dem Gesetz die befristete Möglichkeit geschaffen, erneut Maßnahmen nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) nach Inkrafttreten befristet bis zum 31. Dezember 2012 zu gewähren. Dabei kann das schon bis Ende 2010 zu Verfügung stehende Instrumentarium vollständig genutzt werden. Für die Gewährung von Rekapitalisierungsmaßnahmen wird der Garantierahmen auf 400 Mrd. Euro und die Kreditermächtigung auf 80 Mrd. Euro (davon 10 Mrd. Euro mit Zustimmung des Haushaltausschusses des Deutschen Bundestages) - und damit auf die ursprünglichen Beträge des FMStG - erhöht. Zur Stärkung der Beteiligung des Parlaments beschloss der Deutsche Bundestag, die Kreditermächtigung in Höhe von weiteren 30 Mrd. Euro zu sperren. Eine Entsperrung kann insoweit auf Antrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) durch das Leitungsgremium erfolgen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen an den Kapitalmärkten wird die Übernahme von Garantien für auf Zweckgesellschaften („Bad Banks“) ausgelagerten Wertpapiere gegenüber dem ersten FMStG erweitert, sodass nicht nur strukturierte Wertpapiere, sondern auch Staatsanleihen mit Garantien versehen werden können. Vorgesehen ist ferner, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) befristet bis zum 31. Dezember 2012 unter bestimmten Voraussetzungen höhere Eigenmittelanforderungen für Institute festsetzen und die Vorlage von Plänen zur Erreichung einer höheren Eigenmittelausstattung verlangen kann. Die Anordnungsbefugnis greift nicht erst bei der konkreten Bestandsgefährdung eines Instituts, sondern setzt die Abwendung einer drohenden Störung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes oder die Abwendung einer drohenden Gefahr für die Finanzmarkstabilität voraus. Außerdem werden im Gesetz einige Rahmenbedingungen des Finanzmarkstabilisierungsfonds (SoFFin), insbesondere zur Stärkung der Rechts- und Fachaufsicht des BMF, und der Anforderungen auf die verfassungsrechtliche Schuldenregel präzisiert.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat einstimmig, einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zu stellen. Ferner empfahl der Finanzausschuss die Fassung einer Entschließung. Darin wird die Zielrichtung des Gesetzes grundsätzlich unterstützt, aber erhebliche Zweifel daran geäußert, dass das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Darüber hinaus wird die weitere Mithaftung der Länder für neue Garantien und Rekapitalisierungsmaßnahmen des SoFFin abgelehnt. Die mit dem Gesetz vorgesehene zeitliche und finanzielle Erweiterung sei nicht von der ursprünglichen Einigung einer Beteiligung der Länder am Ausfallrisiko für Maßnahmen des Fonds gedeckt. In diesem Zusammenhang wird in dem Antrag darauf hingewiesen, dass angesichts der Bedeutung des Gesetzes für die Stabilität des Finanzsystems von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses abgesehen werde. Dieses geschehe in der Erwartung, dass der Bund die durch die weitere Mithaftung entstehenden Belastungen der Länder an anderer Stelle entsprechend ausgleiche.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens die empfohlene Entschließung gefasst.

Zu TOP 8
Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung
BR-Drs. 10/12

Wesentlicher Inhalt:
Mit dem Gesetz wird die Europäische Mediationsrichtlinie vom 24.05.2008 (2008/52/EG) umgesetzt. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, für grenzüberschreitende Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen zur Streitschlichtung Mediationsverfahren zu regeln sowie die außergerichtliche Mediation zu stärken. Der Richtlinie entsprechend enthält das Gesetz Vorschriften zur Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens, zur Vollstreckbarkeit einer Mediationsvereinbarung und zur Auswirkung der Mediation auf Verjährungsfristen. Die Bundesregierung unterscheidet im Gesetz nicht zwischen grenzüberschreitenden und innerdeutschen Mediationsverfahren. Damit sind erstmals verbindliche Regelungen auch für innerdeutsche außergerichtliche Mediationsverfahren gesetzlich geregelt, wie zum Beispiel durch konkrete Anforderungen an die Aus- und Fortbildung der Mediatoren oder Mediatorinnen und die Regelung des Verfahrens. Zur Förderung der außergerichtlichen Mediation besteht zukünftig die Pflicht der Partei, in der Klageschrift Angaben zur vorgerichtlichen Mediation zu machen. Außerdem können Forschungsvorhaben in Prozesskostenhilfe-Sachen durchgeführt werden. Gestärkt werden soll die außergerichtliche Mediation auch durch die Überführung der bisherigen gerichtsinternen Mediation in ein sog. erweitertes Güterichterverfahren. Das Prozessgericht kann nun in allen Verfahren (außer Strafverfahren) im Einverständnis mit den Parteien diese an den Güterichter zum Versuch einer einvernehmlichen Konfliktlösung verweisen. Das bisherige Angebot der gerichtsinternen Mediation kann nur noch übergangsweise ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes fortgeführt werden. Dieses Verfahren war im Regierungsentwurf noch ausdrücklich vorgesehen.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Rechtsausschuss hatte dem Plenum mit deutlicher Mehrheit empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ziel des Antrags ist es, zur Aufrechterhaltung der Methodenvielfalt außergerichtlicher Konfliktbeilegung die richterliche Mediation in den Prozessordnungen ausdrücklich zu verankern. Die gerichtsinterne Mediation sei bisher in vielen Ländern erfolgreich und mit großem finanziellen Aufwand in die Fortbildung durchgeführt worden. Die Bevölkerung habe in die Gerichtsmediation inzwischen großes Vertrauen, was sich auch sehr positiv auf die außergerichtliche Mediation ausgewirkt habe.

Behandlung im Plenum:
Das Plenum hat mit den niedersächsischen Stimmen den Vermittlungsausschuss angerufen. Herr Minister Busemann lobte in seiner Rede vor dem Plenum das vom Bundestag beschlossene Gesetz. Es beschreibe die grundlegenden Standards der Aus- und Fortbildung von Mediatorinnen und Mediatoren und schaffe die Grundlage für eine Zertifizierung, wie es der Bundesrat in seiner Stellungnahme auf Antrag Niedersachsens gefordert habe. Gleichwohl sprach er sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus, weil Widersprüche zwischen dem Gesetzestext und seinem inhaltlichen Anspruch, nämlich gerichtsintern die Mediation fortführen zu können, erkennbar seien. Dieser Umstand solle in einem Vermittlungsverfahren noch einmal abgewogen werden.

Zu TOP 12
Entschließung des Bundesrates - Faire und sichere Arbeitsbedingungen durch Implementierung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes
- Antrag der Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen -
BR-Drs. 816/11

Wesentlicher Inhalt:
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, einen Gesetzentwurf für einen allgemeinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn vorzulegen, dessen unterste nicht zu unterschreitende Grenze bei 8,50 € (brutto) liegen soll. Dieser Mindestlohn soll u.a.

  • ein Existenz sicherndes Einkommen gewährleisten,
  • jährlich von einer unabhängigen Mindestlohnkommission überprüft und je nach Entwicklung ggf. angepasst sowie
  • durch staatliche Stellen auf Einhaltung kontrolliert werden.

Zur Begründung verweisen die Antragsteller vor allem auf den seit 1999 um über 2 Millionen auf 7,84 Mill. (25,4 %) gestiegenen Anteil der Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen an allen abhängig Beschäftigten und den sich ohne gesetzlichen Mindestlohn weiter ausdehnenden Niedriglohnsektor. Personen, die Vollzeit arbeiten, müssten jedoch von ihrer Arbeit menschenwürdig leben und am gesellschaftlichen Leben angemessen teilhaben können. Zur Erzielung eines dies ermöglichenden Arbeitseinkommens sei ein - nicht abdingbarer - Rechtsanspruch auf eine Mindestvergütung erforderlich. Ein gesetzlicher Mindestlohn sei ein aktiver Beitrag zur Achtung der Würde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zur Bekämpfung der Armut und zur sozialen Absicherung der Beschäftigten im Alter.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Ausschuss für Frauen und Jugend empfahlen dem Bundesrat jeweils gegen die Stimme Niedersachsens, die Entschließung zu fassen. Im Wirtschaftsausschuss war eine Empfehlung an das Plenum nicht zustande gekommen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat die Entschließung nicht gefasst. Dieses Votum wurde von Niedersachsen unterstützt.

Zu TOP 18
Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression
BR-Drs. 847/11

Wesentlicher Inhalt:
In Umsetzung des Koalitionsbeschlusses vom November 2011 zielt der Gesetzentwurf darauf ab, dem Effekt der „kalten Progression“ entgegen zu wirken, der dadurch entsteht, dass zu Lasten der Steuerpflichtigen Steuermehreinnahmen durch den Anstieg des Durchschnittsteuersatzes erzielt werden, die allein auf inflationsbedingten Lohn- und Gehaltserhöhungen zurückzuführen sind und der keine höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugrunde liegt. In den Jahren 2013 und 2014 sollen die Steuerzahler von den Wirkungen der kalten Progression entlastet werden. Dazu enthält der Gesetzentwurf zwei Ansatzpunkte im Bereich der Einkommensbesteuerung:

  • Anhebung des Grundfreibetrages bis 2014 in zwei Stufen um insgesamt 350 Euro bzw. 4,4 Prozent auf 8.354 Euro. Die Erhöhung des Grundfreibetrags trägt dem zu verschonenden Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen Rechnung und ist verfassungsrechtlich geboten, damit das Erwerbseinkommen im Umfang des Existenzminimums steuerfrei bleibt.
  • Prozentuale Anpassung des Tarifverlaufs ebenfalls um insgesamt 4,4 Prozent bis 2014. Jedes Einkommen soll dabei genau um den Betrag entlastet werden, um den es durch die kalte Progression belastet wird. Ausgenommen davon ist das Eingangseinkommen für die sogenannte „Reichensteuer“. Die Wirkung der kalten Progression im Tarifverlauf soll ab der nächsten Legislaturperiode regelmäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus überprüft werden.

Die mit der Umsetzung verbundenen Steuermindereinnahmen belaufen sich in der vollen Jahreswirkung auf 6,11 Mrd. Euro. Der Bund will einmalig die Steuermindereinnahmen, soweit sie durch die vorgesehene Anpassung des Tarifverlaufs entstehen, durch gleichbleibende Festbeträge bei der Umsatzsteuerverteilung (zunächst 379 Mrd. Euro, ab 2014 jeweils 1,2 Mrd. Euro) allein tragen. Für die Länder und Gemeinden verbleiben dennoch Einnahmeausfälle von 685 Mio. Euro für 2013 und von 1.905 Mrd. Euro in 2014, die sich in den Folgejahren jährlich auf gut 2,3 Mrd. Euro erhöhen. Auf Niedersachsen entfallen davon in 2013 etwa 39 Mio. Euro und in 2014 rund 106 Mio. Euro.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat ohne die Stimme Niedersachsens, eine ablehnende Stellungnahme zum Gesetzentwurf. In der Begründung verwies die Stellungnahme auf die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse, die wegen der entstehenden Haushaltsbelastungen nicht gewährleistet sei. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Einnahmebasis wurde außerdem eine angemessene Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer für die beabsichtigte Erhöhung des Grundfreibetrages gefordert.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat keine Stellungnahme beschlossen. Niedersachsen votierte gegen die Stellungnahme.

Zu TOP 67
Grünbuch der Kommission über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen
BR-Drs. 779/11

Wesentlicher Inhalt:
Mit dem Grünbuch leitet die Kommission eine öffentliche Konsultation zur Durchführung der gemeinsamen Emission von Staatsanleihen durch die Mitgliedsstaaten (MS) des Euroraums sowie deren Voraussetzungen ein. Derartige Anleihen wären dazu bestimmt, die laufende Finanzierung der MS des Euroraums durch gemeinsame Emissionen zu sichern. Ziel ist die Stärkung des Euro im globalen Finanzsystem, die rasche Eindämmung der Staatsschuldenkrise, eine Vereinfachung und Verbesserung der Geldpolitik sowie die Förderung der Effizienz des Anleihemarktes. Das Grünbuch enthält drei Optionen zur Vergemeinschaftung der Schuldenaufnahme der Euroländer, die sich darin unterscheiden, in welchem Umfang die nationalen Emissionen ersetzt werden (ganz oder teilweise) und wie die Garantie gestaltet ist (gesamtschuldnerisch oder teilschuldnerisch):

  • Vollständiger Ersatz der nationalen Emission durch die Emission von Stabilitätsanleihen mit gesamtschuldnerischer Garantie der MS. Diese Option ist nach Auffassung der Kommission am besten geeignet, die Vorteile von Eurobonds zu realisieren und hätte besonders positive Auswirkungen auf die Stabilität der Haushalte und die Bonität der Anleihen, berge aber das größte Risiko einer Verringerung der Haushaltsdisziplin und bedinge weitreichende Vertragsänderungen. Derzeit würde die Einführung einer gesamtschuldnerischen bzw. teilschuldnerischen Haftung gegen das „bail-out-Verbot“ verstoßen.
  • Teilweiser Ersatz der nationalen Emission durch die Emission von Stabilitätsanleihen mit gesamtschuldnerischer Garantie der MS. Die MS würden danach nur eine Teil der nationalen Schuldtitel ersetzen und müssten sich im Übrigen an den Finanzmärkten unter Ansatz der individuellen Bonität selbständig refinanzieren. Dadurch sinke die Gefahr des „Moral Hazard“.
  • Teilweiser Ersatz der nationalen Emission durch die Emission von Stabilitätsanleihen nur mit teilschuldnerischer Garantie der MS. Aufgrund der teilschuldnerischen Garantie würde die Gefahr des „Moral Hazard“ deutlich verringert, die Vorteile gemeinsamer Anleihen würden aber nur in geringem Umfang realisiert. Eine Umsetzung wäre aber kurzfristig und ohne Vertragsänderungen möglich.

Ergänzend beinhaltet das Grünbuch Überlegungen zur weiteren Stärkung des finanzpolitischen Rahmens über den Stabilitäts- und Wachstumspakt hinaus, um Fehlanreizen zu begegnen.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfahl dem Bundesrat, von der Vorlage Kenntnis zu nehmen. Der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfahlen dem Bundesrat, zu dem Grünbuch Stellung zu nehmen. Niedersachsen unterstützte die vom Wirtschaftsausschuss beschlossene Empfehlung, die im Grundsatz alle drei Optionen der Einführung von Stabilitätsanleihen ablehnt. Stabilitätsanleihen sind danach nicht geeignet, die Solvenzprobleme einiger Staaten in Europa zu lösen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden belaste bei Zahlungsausfällen die deutsche Schuldentragfähigkeit und damit den deutschen Steuerzahler. Außerdem werde dadurch die Haushaltsdisziplin unterlaufen, da es an Anreizen für eine solide Haushaltspolitik fehle. Sinnvoller sei die Einführung einer Schuldenbremse in allen MS zum Abbau der Verschuldung, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euroländer und die Lösung struktureller Probleme. Die im Finanzausschuss ohne die Stimme Niedersachsens beschlossene Empfehlung begrüßte dagegen die Einführung von Stabilitätsanleihen. Zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen der Länder wurde zudem die künftige Emission von „Deutschlandbonds“ in Erwägung gezogen.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat keine Stellungnahme beschlossen. Der Bundesrat hat von dem Grünbuch Kenntnis genommen.

Zu TOP 90
Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts
BR-Drs. 71/12

Wesentlicher Inhalt:
Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz wird die EU-Abfallrahmenrichtlinie (RL 2008/98/
EG) - sie war bis zum Dezember 2010 in nationales Recht umzusetzen - in deutsches Recht umgesetzt und das bestehende deutsche Abfallrecht umfassend modernisiert. Ziel des neuen Gesetzes ist eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft durch Stärkung der Abfallvermeidung und des Recyclings von Abfällen. Außerdem ist eine spürbare Senkung der Kosten für die Wirtschaft durch den Abbau von Bürokratiepflichten vorgesehen. Kern des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist die neue fünfstufige Abfallhierarchie. Sie legt die grundsätzliche Stufenfolge aus Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling und sonstiger, u.a. energetischer Verwertung von Abfällen und schließlich der Abfallbeseitigung fest. Vorrang hat die jeweils beste Option aus Sicht des Umweltschutzes. Außerdem wird eine Pflicht zur Getrenntsammlung von verwertbaren Abfällen sowie eine Recyclingquote für Siedlungsabfälle und eine Verwertungsquote für Bauabfälle eingeführt. Die Möglichkeit gewerblicher Sammlungen wird bei Beibehaltung der Rahmenbedingungen für die kommunale Abfallentsorgung präzisiert. Die Länder werden beauftragt, die vom EU-Recht verlangten Abfallvermeidungsprogramme zu entwickeln. Zudem soll eine gesetzliche Grundlage für die Einführung einer Wertstofftonne gelegt werden.

Behandlung in den Ausschüssen:
Der federführende Umweltausschuss und der mitberatende Innenausschuss hatten dem Bundesrat in seiner 890. Sitzung am 25. November 2011 gegen die Stimme Niedersachsens vorgeschlagen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Wesentlicher Inhalt des Vermittlungsausschusses sollte die Streichung der in § 17 Abs. 3 geregelten Gleichwertigkeitsprüfung sein. Der mitberatende Ausschuss für Agrar und Verbraucherschutz hatte vorgeschlagen, dem Gesetz zuzustimmen und hat auf Initiative Bayerns und Niedersachsens eine Entschließung vorgeschlagen. Inhalt der Entschließung ist der Wunsch, Wirtschaftsdünger zur Verwendung in Biogasanlagen vom Abfallbegriff auszunehmen. Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 15. Sitzung am 08. Februar 2012 einen Einigungsvorschlag beschlossen, der eine weitere Präzisierung der Gleichwertigkeitsprüfung zum Inhalt hat. Der Bundestag hat diesen Vorschlag am 09. Februar 2012 angenommen.

Behandlung im Plenum:
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde einstimmig angenommen. Die Entschließung des Agrarausschusses wurde mit den Stimmen Niedersachsens in Teilen angenommen. Die Bundesregierung hat eine Protokollerklärung abgegeben.

Zu TOP 91
Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen
BR-Drs. 72/12

Wesentlicher Inhalt:
Das Telekommunikationsgesetz (TKG) ist in Folge der Änderung des europäischen Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation (Änderungsrichtlinien "Better Regulation" und "Citizens Rights") Ende 2009 novelliert worden. Mit Blick auf die immense wirtschafts- und gesellschaftspolitische Bedeutung einer flächendeckenden Breitbandversorgung soll die Novelle Anreize für Investitionen in neue Hochgeschwindigkeitsnetze schaffen und nachhaltige Investitionen in die Entwicklung neuer Netze fördern. Wichtiges Ziel ist auch die weitere Verbesserung des Verbraucher- und Datenschutzes, u.a. durch die die Einführung kostenfreier Warteschleifen.

Behandlung in Bundesrat und Bundestag:
Den zahlreichen Änderungsbegehren des Bundesrates aus dem ersten Durchgang war der Bundestag weitgehend nicht gefolgt, auch die Bundesregierung war auf Forderungen im Zusammenhang mit der Novelle nicht eingegangen. Der Bundesrat hatte zu dem Gesetz mit den Stimmen Niedersachsens daraufhin die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt. Die Länder stellten im Zusammenhang mit der TKG-Novelle, insbesondere die Verteilung der Erlöse aus der Versteigerung von bisherigen Rundfunkfrequenzen streitig. Sie forderten außerdem Mitwirkungsrechte des Bundesrates z.B. bei der Zuweisung von Funkfrequenzen sowie die Einbeziehung weiterer Einrichtungen wie der Kirchen u.a. in den Ausgleich für die durch die Umstellung entstandenen Kosten.

Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses:
Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beinhaltet folgende wesentliche Punkte:

  • Änderung des TKG dahingehend, dass die Frequenzverordnung künftig der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
  • Die Bundesregierung verpflichtet sich, bei der Vergabe von bis dahin dem Rundfunkdienst zugewiesenen Frequenzen - insbesondere Versteigerung - vor der Zuleitung der zustimmungspflichtigen Frequenzverordnung an den Bundesrat, mit den Ländern eine einvernehmliche Regelung über die Erlösverteilung zwischen dem Bund und den Ländern herzustellen. Der Bund ist sich dabei bewusst, dass die Länder von einer hälftigen Verteilung der Erlöse nach Abzug der umstellungsbedingten Kosten ausgehen.
  • Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird die „Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Bundes an Sekundärnutzer wegen anrechenbarer störungsbedingter Umstellungskosten aus der Umwidmung von Frequenzen im Bereich 790 - 862 MHz“ anpassen, u.a. werden Einrichtungen der Kirchen, Länder, Städte, Landkreise und Kommunen einbezogen, die gemäß §§ 51 ff. Abgabenordnung steuerbegünstigte Zwecke verfolgen.
  • Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Ländern und der KfW Vorschläge erarbeiten, wie bestehende KfW-Programme sowohl für Unternehmen als auch für Kommunen durch textliche Präzisierungen, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und eine erhöhte Transparenz besser für den Breitbandausbau genutzt werden können.

Behandlung im Plenum:
Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zugestimmt.

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Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Herr Rüdiger Jacobs

Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
In den Ministergärten 10
10117 Berlin
Tel: 030/72629-1700
Fax: 030/72629-1702

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