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825. Sitzung des Bundesrates am 22. September 2006

Aus niedersächsischer Sicht waren folgende Tagesordnungspunkte von besonderer Bedeutung:

TOP 3 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation BR-Drs. 584/06

TOP 11 Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) - Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt - BR-Drs. 461/06

TOP 22 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze BR-Drs. 617/06

TOP 24 Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) BR-Drs. 542/06

TOP 28 Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) BR-Drs. 545/06

TOP 3 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation BR-Drs. 584/06

Wesentlicher Inhalt:

Mit dem Gesetzentwurf wird ein Anspruch des Bürgers auf Informationen, die bei Behörden verfügbar sind, festgeschrieben. Auskünfte sollen erteilt werden über Verstöße gegen das Lebens- und Futtermittelrecht; über die Kennzeichnung, Herkunft und Beschaffenheit, über die Ausgangsstoffe und Herstellungsverfahren und schließlich über die Überwachungsmaßnahmen. Ferner wird geregelt, dass die Staatsanwaltschaften die zuständige Behörde unverzüglich über das Einleiten eines Strafverfahrens unterrichten, wenn sie einen Verstoß im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittel-Gesetzbuches verfolgen.

Das Gesetz wird zu zusätzlichem Aufwand bei den zuständigen Behörden führen.

Im Gesetzentwurf werden Ausschlussgründe aufgeführt, die das Informationsrecht einschränken. Es handelt sich z.B. um Tatbestände, die dem Geschäfts- und Betriebsgeheimnis zugeordnet werden können, um Gründe des Personenschutzes oder um Informationen, deren Weitergabe ein laufendes verwaltungsrechtliches Verfahren behindern können. Die Informationen, die herausgegeben werden können, werden auf Antrag innerhalb eines Monats, sofern aufwändige Anhörungen durchzuführen sind, innerhalb von zwei Monaten erteilt. Für die Informationserteilung können Gebühren erhoben werden. Die Informationstätigkeit wird auch auf Erzeugnisse ausgeweitet, die nicht mehr am Markt sind. Das Verbraucherinformationsgesetz umfasst auch Erzeugnisse nach dem Weingesetz.

Verbraucherinformationsgesetz und Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) greifen ineinander. So wird der Gesetzentwurf im LFGB die bisherige Kann-Bestimmung zur Information der Öffentlichkeit in eine Soll-Bestimmung ändern. Politik und Öffentlichkeit erwarten nun, dass die Behörden künftig die Unternehmen namentlich nennen, die in ein Problem mit Futtermitteln oder Lebensmitteln verwickelt sind. Ob diese Information in Zukunft tatsächlich zeitnah gegeben werden kann, bleibt abzuwarten; denn die Ermessensentscheidung der Behörde ist noch immer erforderlich und noch immer von hohem Risiko für die meldende Behörde, wenn nämlich unzutreffendes/nicht beweisfähiges über einen Wirtschaftsbeteiligten veröffentlicht wird.

Ein Informationsanspruch der Verbraucher gegenüber Unternehmen und die Einbeziehung aller Verbraucherprodukte wurden nicht umgesetzt, sodass die öffentliche Diskussion zu diesem Thema durch den vorgelegten Gesetzentwurf nicht beendet sein dürfte.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der Agrar-, Finanz-, Gesundheit-, Innen- und Rechtsausschuss stimmten dem Gesetzentwurf zu. Der Agrarausschuss brachte einen Entschließungsantrag ein.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens dem Gesetzentwurf mit großer Mehrheit zugestimmt und die Entschließung gefasst. Ein Plenarantrag Baden-Württemberg erhielt keine Mehrheit.

TOP 11 Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) - Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt - BR-Drs. 461/06

Wesentlicher Inhalt:

Die Eigenkapitalausstattung der mittelständigen Unternehmen ist unzureichend. Mit der Gesetzesnovelle sollen die Rahmenbedingungen für die Mittelstandsfinanzierung verbessert und der Markt für Wagniskapitalbeteiligungen an innovativen mittelständischen Unternehmen belebt werden. Für diese Unternehmen ist das Angebot an Wagniskapital besonders eng, weil bei innovativen Vorhaben meist ein hoher Finanzbedarf entsteht, die Erfolgsaussichten aber unsicher sind.

Damit diese Unternehmen leichter an Beteiligungskapital kommen, sieht der Gesetzentwurf eine Öffnung der Beteiligungsformen vor. Künftig sollen auch Wagniskapitalbeteiligungen an Offenen Handelsgesellschaften und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts zugelassen werden sowie Beteiligungen an Gesellschaften mit vergleichbarer internationaler Rechtsform. Der Kreis der Unternehmen, deren Anteile erworben werden dürfen, soll erweitert werden, indem die Bilanzsumme von 250 Millionen Euro auf 500 Millionen Euro heraufgesetzt wird. Die Haltefrist für die Kapitalbeteiligung soll von 12 auf 15 Jahre erhöht werden.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende Wirtschaftsausschuss, der Finanzausschuss und der Rechtsausschuss empfahlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf einzubringen. Der Wirtschaftsausschuss hatte ferner empfohlen, eine Entschließung zu fassen. Darin wird die Bundesregierung gebeten, die Länder frühzeitig an der Erarbeitung des von ihr geplanten Private-Equity-Gesetzes zu beteiligen.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, den Gesetzentwurf einzubringen und die Entschließung zu fassen.

TOP 22 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze BR-Drs. 617/06

Wesentlicher Inhalt:

Das Sozialgesetzbuch XII ist das Buch der Sozialhilfe. Die Sozialhilfe sichert bei Hilfebe¬dürftigen als unterstes Netz die Mittel zum Führen eines menschenwürdigen Lebens ab.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung will die Regelsatzbemessung in der Sozialhilfe weiterentwickeln. Es soll u.a. ein einheitlicher Regelsatz für ganz Deutschland eingeführt und die bisherige Ost-West-Differenzierung aufgegeben werden. Darüber hinaus sollen eine Reihe von Änderungsvorschlägen aus der Praxis übernommen werden, die der Weiterentwicklung der Sozialhilfe im Rahmen des bestehenden Sozialhilfesystems Rechnung tragen.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahl dem Bundesrat gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik hatte die Entwicklung der sozialen Leistungssysteme mit großer Sorge betrachtet. Nach seiner Auffassung entwickeln sie sich schleichend zu einem System, das die Alterssicherung für Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen übernehme und gleichzeitig die Unterhaltspflichtigen aus ihrer Verpflichtung entlasse. Hinzu komme ein kontinuierlicher Anstieg der Kosten in der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und der Hilfe zur Pflege. Der Ausschuss hat das Fassen einer Entschließung empfohlen, um die Bundesregierung hier zu gemeinsamem Handeln aufzufordern. Es solle nach Lösungen gesucht werden, dass die Träger der Sozialhilfe angesichts fortlaufender Kostensteigerungen künftig die notwendigen Leistungen sicherstellen.

Darüber hinaus hatte der Ausschuss eine Reihe weiterer Forderungen formuliert, die unter anderem aus der Verwaltungspraxis kommen bzw. diese verbessern sollen. Gemeinsam mit dem Gesundheitsausschuss empfahl er außerdem, dass Ausländer in Zukunft in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts keine Ansprüche auf Unterstützung nach dem SGB XII haben sollen.

Der Finanzausschuss forderte, eine vollständige Angleichung der Sozialhilferegelsätze abzulehnen und die Ost-West-Differenzierung beizubehalten.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Niedersachsens beschlossen, im Sinne der Ausschussempfehlungen Stellung zu nehmen und die Entschließung zu fassen. Der Empfehlung des Finanzausschusses wurde nicht gefolgt.

TOP 24 Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) BR-Drs. 542/06

Wesentlicher Inhalt:

Der Gesetzentwurf enthält eine Vielzahl von Änderungen insbesondere im Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Außensteuergesetz sowie eine vollständige Neufassung des Umwandlungssteuergesetzes.

Unter anderem geht es um die

- Anpassung des deutschen Steuerrechts an EU-Vorgaben für die neue Rechtsform der Europäischen Gesellschaft und der Europäischen Genossenschaft;

- Neuregelung der Wegzugsbesteuerung für Unternehmen aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Besteuerung des Wegzugs einer natürlichen Person von einem Mitgliedstaat der EU in einen anderen Mitgliedstaat;

- Sicherung deutscher Besteuerungsrechte im Hinblick auf die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen.

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende Finanzausschuss hatte eine Reihe von Änderungsempfehlungen beschlossen. So sollte unter anderem Art. 6 des Umwandlungssteuergesetzes überarbeitet werden. Die geplante Regelung führe zu einer systematisch nicht gerechtfertigten Schlechterstellung für einbringende inländische Unternehmer, für Einbringende aus Drittstaaten sowie für einbringende juristische Personen des öffentlichen Rechts. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren soll auch klargestellt werden, dass sich die Sicherung des deutschen Steueranspruchs auch auf selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter beziehe. Die Regelungen zur Spaltung seien auf den von der EG-Fusionsrichtlinie gebotenen Umfang zu beschränken.

Der mitberatende Wirtschaftsausschuss empfahl die Ablehnung des Gesetzentwurfs, da Maßnahmen geplant seien, die zu einer höheren Steuerbelastung von Unternehmen führen würden. Verlagere ein deutsches Unternehmen Wirtschaftsgüter ins Ausland, so solle dies steuerlich als Verkauf behandelt werden. Damit käme es zu einer Scheingewinnbesteuerung.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat ist der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses, den Gesetzentwurf abzulehnen, nicht gefolgt. Auch Niedersachsen hat dieser Empfehlung nicht zugestimmt. Dagegen hat der Bundesrat neben den Empfehlungen des Finanzausschusses einen Antrag des Freistaates Bayern angenommen. Darin wird die Bundesregierung gebeten, im Gesetzentwurf die zentralen Entstrickungstatbestände zu überarbeiten. Kernpunkt der Überarbeitung soll die Schaffung einer Möglichkeit für eine zeitliche gestreckte Besteuerung der stillen Reserven sein.

TOP 28 Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) BR-Drs. 545/06

Wesentlicher Inhalt:

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 hatte den Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten erweiterte Informationsbefugnisse gewährt - allerdings befristet auf fünf Jahre. Kernpunkt der Novelle ist die Verlängerung dieser Befristung um weitere fünf Jahre.

Darüber hinaus werden die Auskunftsrechte der Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste vereinfacht und differenzierter gestaltet.

- Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen werden im Einzelfall verpflichtet, Auskünfte über Konten, Konteninhaber, Geldbewegungen und Geldanlagen, Kontostand und Zahlungsein- und -ausgänge zu erteilen.

- Luftfahrtunternehmen werden zur Auskunft über Namen und Anschrift des Kunden sowie Inanspruchnahme und Umstände von Transportleistungen verpflichtet. Dies gilt insbesondere zum Zeitpunkt der Abfertigung, des Abfluges und zum Buchungsweg.

- Post- und Telekommunikationsanbieter müssen über die Umstände des Postverkehrs Auskunft erteilen u.a.

a) die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse, Kartennummer, bei mobilen Anschlüssen auch Standortdaten

b) den Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit und die übermittelten Datenmengen

c) den vom Nutzer in Anspruch genommenen Telekommunikationsdienst

d) die Endpunkte von festgeschalteten Verbindungen, ihren Beginn und Ende nach Datum und Uhrzeit.

e) sonstige Verkehrsdaten.

Natürliche und juristische Personen dürfen überwacht werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass sie schwerwiegende Gefahren für die Sicherheit Deutschlands "nachdrücklich" fördern.

Die Dienste sollen in Zukunft auch Auskünfte über Fahrzeug- und Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrtbundesamtes abrufen können. Erlaubt werden soll ferner der Einsatz technischer Mittel zur Feststellung der Geräte - und Kartennummer oder des Standorts eines aktiv geschalteten Handys (sog. IMSI-Catcher)

Behandlung in den Ausschüssen:

Der federführende Innenausschuss hatte sich gegen die weitere Befristung ausgesprochen. Er empfahl die zeitlich unbegrenzte Geltung der Anti-Terrorregelungen. Darüber hinaus sollten Verfassungsschutz und Nachrichtendienste Auskünfte nicht erst verlangen können, wenn eine "schwere Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik" und anderer Schutzgüter bestehe. Nach Auffassung des Innenausschusses reichten "tatsächliche Anhaltspunkte" für das Bestehen einer schweren Gefährdung aus. Die Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden sollten auch nicht von der "nachdrücklichen" Förderung schwerwiegender Gefahren für die Sicherheit Deutschlands abhängen. "Einfaches" Fördern solcher Gefahren solle ausreichen.

Der Innenausschuss empfahl das Verbot extremistischer Vereine zu erleichtern.

Behandlung im Plenum:

Der Bundesrat ist der Empfehlung des Innenausschusses nicht gefolgt, die Anti-Terrorvorschriften zu entfristen. Auch Niedersachsen hat diese Empfehlung nicht unterstützt. Den übrigen Empfehlungen hat der Bundesrat - mit Ausnahme des erleichterten Vereinsverbots - zugestimmt.

Presseinfo

Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Herr Rüdiger Jacobs

Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
In den Ministergärten 10
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Tel: 030/72629-1700
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