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Ist ein Beitritt der Ukraine zur EU realistisch?

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Die Ukraine, Moldau und Georgien begehren kürzlich – unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs – den zügigen EU-Beitritt. Nach Artikel 49 der Europäischen Verträge (EUV) kann jeder europäische Staat, der die Werte der EU, wie z.B. die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, anerkennt und fördert, einen Beitrittsantrag zu stellen. Derzeit arbeitet die Europäische Kommission an einer Bewertung zum möglichen EU-Beitritt der drei Staaten.

Nach Vorlage der Bewertung braucht es für die Aufnahme eines Beitrittsverfahrens weiterer Schritte, wie z.B. der Abstimmung im Europaparlament und eines einstimmigen Votums aller 27 Mitgliedstaaten, um den Status eines „Beitrittskandidaten“ zu erlangen. In den dann folgenden Beitrittsverhandlungen wird dann festgehalten, welche Reformen der Beitrittskandidat unternehmen muss. Es gibt hier zahlreiche festgelegte Kriterien, z.B. muss der Beitrittskandidat über eine demokratische sowie rechtsstaatliche institutionelle Stabilität und eine funktionsfähige Marktwirtschaft verfügen und es muss zuvor auch das gesamte EU-Recht in nationales Recht umgesetzt werden.

Aktuell erfüllt die Ukraine nicht alle Kriterien für einen Beitritt. Es fehlt u.a. an stabilen politischen Institutionen und auch für die Umsetzung vom gesamten EU-Recht sind viele Schritte und Reformen notwendig. Die Möglichkeit, den Beitrittsprozess zu „überspringen“ und etwa die Ukraine sofort als Mitglied aufzunehmen ist daher nach allgemeiner Einschätzung nicht realistisch. Die Anerkennung der Ukraine selbst als Beitrittskandidat ist derzeit noch verfrüht und würde einen einmaligen Vorgang in der Geschichte der EU darstellen. Dies ist auch nicht in den EU-Verträgen vorgesehen. Die EU-Institutionen haben jedoch in den letzten Wochen wiederholt den Willen bekundet, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, die Ukraine bei der Erfüllung der Kriterien zu begleiten. Die EU steht auch unabhängig von einer zeitnahen EU-Mitgliedschaft an der Seite der Ukraine. Das am 01.09.2017 in Kraft getretene Assozierungsabkommen mit ihrer vertieften und umfassenden Freihandelszone ist bereits ein wichtiges Instrument für die politische Annäherung zwischen der Ukraine und der EU. Verschiedene Regelungen in der Ukraine sollen schrittweise, mit der Unterstützung der EU, an die Standards der EU angepasst werden. Es fördert die wirtschaftlichen Bindungen zwischen der EU und der Ukraine sowie die Achtung gemeinsamer europäischer Werte, aber auch eine enge Kooperation in der Außenpolitik und in Justiz- und Grundrechtsfragen. Seit 2014 haben die EU und Finanzinstitute über 17 Mrd. Euro an Zuschüssen und Darlehen mobilisiert, um Reformen zu unterstützen. Darüber hinaus schlug die Kommission im Januar 2022 vor, die Ukraine mit einem neuen Makrofinanz-Soforthilfepaket über 1,2 Mrd. EUR bei der Bewältigung der derzeitigen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen zu unterstützen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.03.2022
zuletzt aktualisiert am:
15.03.2022

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